Lehrer mit Quereinstieg aus anderen Berufen
Einleitung : Lehrpersonal dringend gesucht - Der Weg ins Lehramt als Quereinsteiger
Die aktuelle Erforschung zum Ein- und Quereinstieg in den Lehrberuf ist bedauerlicherweise noch recht lückenhaft. Insbesondere fehlen hierbei Studien, welche die Auswirkungen auf die Qualität des Unterrichts sowie den schulischen Fortschritt der Schülerinnen und Schüler beleuchten.
Telekom-Analyse: Mangelnde Integrationskonzepte an Bildungseinrichtungen
Welche beruflichen Hintergründe bringen Lehrkräfte der MINT-Fächer mit, die über einen Quereinstieg oder Seiteneinstieg ins Lehramt gelangen? Wie gelingt es Schulen, Lehrerinnen und Lehrer ohne eine klassische Lehramtsausbildung erfolgreich zu integrieren? Und werden die spezifischen Fähigkeiten und Talente dieser Pädagogen angemessen wertgeschätzt?
Diese essenziellen Fragen standen im Mittelpunkt einer im Februar 2024 publizierten Untersuchung, die im Auftrag der Telekom Stiftung durchgeführt wurde. Für diese Befragung wurden im Zeitraum von 2021 bis 2022 über eintausend MINT-Lehrkräfte an unterschiedlichen Schulformen, von allgemeinbildenden bis zu berufsbildenden Einrichtungen, befragt. Angesichts des gravierenden Lehrermangels gerade in den naturwissenschaftlichen und technischen Fächern werden hier häufig Personen ohne traditionelle Lehrerausbildung eingestellt. Während Quereinsteiger:innen ein Lehramtsstudium absolviert haben, aber das Referendariat noch nicht, treten Seiteneinsteiger:innen direkt ihren Dienst an und erwerben die notwendige Qualifikation berufsbegleitend.
Die Ergebnisse der zweiten Umfrage offenbaren Folgendes: Bei den Quereinsteigern im Schuldienst haben bemerkenswerte achtzig Prozent aller Befragten ihre Schulzeit bis zum Abitur ohne Unterbrechung durchlaufen. Im Vergleich dazu traf dies auf einundsiebzig Prozent der Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger zu. Die Mehrheit dieser Personen übte vor ihrer Anstellung im Bildungswesen eine Tätigkeit außerhalb der akademischen Welt aus. Ausschlaggebende Motive für den Wechsel ins Schulsystem waren der Wunsch, mit jungen Menschen zu arbeiten, sowie die Aussicht auf eine stabile und dauerhafte Karriere im Lehrerberuf.
Auf die Frage nach den Kompetenzen, die sie ihrer eigenen Einschätzung nach aufgrund ihrer vorherigen beruflichen Erfahrungen in die Schule einbringen, nannten die Querein- und Seiteneinsteiger:innen unter anderem eine hohe Belastbarkeit (Resilienz), exzellente Organisationsfähigkeiten, die Fähigkeit zur Vernetzung, fundiertes und praxisorientiertes Wissen sowie wertvolle Kenntnisse in der Berufsberatung.
Die befragten Lehrkräfte im MINT-Bereich bewerteten die angebotenen Weiterbildungsmöglichkeiten mehrheitlich sehr positiv. Wenig Unterstützung fanden hingegen die Fragen, ob es regelmäßig kollegiale Hospitationen, konstruktives Feedback aus dem Kollegium oder eine enge Teamarbeit gibt.
Laut der Analyse übernehmen Quereinsteiger:innen und Seiteneinsteiger:innen oft zusätzliche organisatorische Aufgaben. Es handelt sich hierbei jedoch tendenziell eher um Tätigkeiten, die weniger direkten Bezug zum Lehrstoff haben. Anstatt beispielsweise Arbeitsgemeinschaften oder Forschungslabore zu leiten oder sich aktiv an der Schul- bzw. Unterrichtsentwicklung zu beteiligen, übernehmen sie häufiger Aufgaben wie die technische Wartung und Betreuung von Geräten, Sicherheitsdienste oder die Ersthilfe.
Das Fazit der Studie betont die zentrale Rolle der Schulleitungen bei der erfolgreichen Eingliederung von Quereinsteigern und der effektiven Nutzung ihrer vielfältigen Kompetenzen aus früheren beruflichen Stationen. Hierfür fehlen jedoch bedauerlicherweise noch immer geeignete und durchdachte Konzepte.
Fähigkeiten von Quereinsteigern
Die im Jahr 2020 veröffentlichte Studie mit dem Titel „Vielfältige Bildungswege ins Lehramt - differenzierte Kompetenzen?' hat aufgezeigt, dass Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger im Vergleich zu ihren Kolleg:innen mit klassischer Lehramtsausbildung im fachlichen Bereich keine Defizite aufweisen. Des Weiteren konnten sie eine höhere Stressresistenz feststellen. An dieser bedeutsamen Untersuchung waren Christin Lucksnat und Dirk Richter von der Universität Potsdam maßgeblich beteiligt. „Die fachlichen und fachdidaktischen Kompetenzen sowie die Motivation sind auf einem vergleichbaren Niveau angesiedelt. Lediglich bei den pädagogisch-psychologischen Kenntnissen haben wir bei den Quereinsteigern weniger günstige Voraussetzungen identifiziert', erläuterte Lucksnat in einem Gespräch mit dem Schulportal.
Lehrbildung: Analyse von Studienangeboten an Universitäten
Im November 2020 präsentierte das Verbundprojekt „Monitor Lehrerbildung' seine Untersuchung mit dem Titel „Flexible Bildungswege ins Lehramt?! Qualifizierung für einen sich wandelnden Beruf'. Laut dieser Analyse boten zu jenem Zeitpunkt lediglich 8 von insgesamt 61 deutschen Hochschulen berufsbegleitende Weiterbildungsstudiengänge für Seiteneinsteiger:innen ohne formale Lehramtsqualifikation an. Weitere 16 Universitäten hatten sogenannte Quereinstiegs-Masterstudiengänge im Vollzeitformat für das Lehramt konzipiert, wobei viele dieser Programme speziell für das Lehramt an Berufsschulen im gewerblich-technischen Sektor ausgerichtet waren.
Im März 2019 veröffentlichte der Bildungsforscher Klaus Klemm im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung eine umfassende Übersicht, welche die Anzahl der im Schuljahr 2017/18 in den 16 Bundesländern tätigen Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger darstellte. Bundesweit lag dieser Anteil zu dieser Zeit bei 12,7 Prozent. Darüber hinaus skizzierte Klemm für jedes Bundesland die seinerzeit geltenden Bestimmungen hinsichtlich der erforderlichen Voraussetzungen für eine Anstellung als Lehrkraft sowie die Modalitäten der nachfolgenden Qualifizierung.
Ungleiche Verteilung von Lehrkräften
Die Bertelsmann Stiftung hat im Jahr 2018 in einer Studie nachgewiesen, dass die Verteilung von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern in Berlin tatsächlich, je nach sozialer Prägung der jeweiligen Schule, ungleichmäßig erfolgt. Der Anteil dieser Lehrkräfte war demnach bereits im Schuljahr 2016/17 an Grundschulen in sozial benachteiligten Lagen mit durchschnittlich annähernd sieben Prozent mehr als doppelt so hoch wie an Schulen in besser gestellten Gebieten. Über diese aufschlussreichen Ergebnisse und deren Implikationen sprach das Schulportal mit Alexandra Marx und Dirk Zorn, die Teil des Autorenteams dieser Untersuchung waren.