Sportwissenschaftler Ingo Froböse
Ingo Froböse: Die Bundesbürger benehmen sich ungesund!
Wir verweilen zu viel, während wir arbeiten, wir bewegen uns zu wenig und wir ernähren uns zu ungesund. Das sind die Resultate einer Untersuchung der Deutschen Krankenversicherung (DKV), der Deutschen Sporthochschule und der Universität Würzburg. In repräsentativer Weise wurden im Rahmen der Erhebung 2.800 Personen zu diesen Themen befragt. SWR1 sprach darüber mit Prof. Dr. Ingo Froböse, dem wissenschaftlichen Leiter der Studie.
Ingo Froböse: Ungesundes Benehmen verschlechtert sich
SWR1: Die Erkenntnisse sind im Grunde genommen nicht neu, wir drehen uns gefühlt im Kreis. Wie hoch ist Ihr Frustrationslevel, wenn Sie die Ergebnisse der Studie betrachten?
Prof. Dr. Ingo Froböse: Es ist nicht nur frustrierend, es wird leider immer schlimmer. […] Wir drehen uns nicht bloß im Kreis, stattdessen zeigt die Skala unglücklicherweise nach unten. Wir hatten vor einigen Jahren noch circa zehn bis zwölf Prozent derjenigen, welche die minimalen Benchmarks für die Bereiche Bewegung, Ernährung, Regeneration, Rauchen und Alkohol erfüllten. Heutzutage sind es nur noch zwei Prozent. Das ist natürlich sehr wenig!
Das bedeutet, die Deutschen verhalten sich nicht mehr durchweg gesund, und das ist natürlich tragisch. Es mündet in den vielen Krankheiten, die wir heute haben, so Froböse.
Froböse: Fähigkeit für gesundes Verhalten fehlt uns
SWR1: Haben Sie eine Erklärung hierfür, dass wir seit Jahren immer dieselben Ergebnisse bekommen?
Froböse: Das wissen die meisten Leute. Wir haben auch gefragt, was die wichtigsten Faktoren dafür sind, dass man gesund bleibt? Da haben die meisten eben gesagt: Bewegung, Ernährung und Schlaf.
Aber das Handeln ist etwas anderes und wir haben uns vermutlich in unserem […] Versorgungssystem eingerichtet. Denn viele dieser Probleme werden auch behoben, indem wir zum Arzt gehen, eine Pille bekommen und dann war es das erst einmal. […]
Letztendlich sind wir jedoch immer noch nicht kompetent genug, um wirklich eigenes Handeln zu praktizieren. Wir wissen, wie es geht, aber wir werden durch viele Dinge verführt und meinen, dass uns das guttut.
Gesundheit wirkt ja nicht augenblicklich, stattdessen zahlt es sich ja erst nach vielen Jahren aus. Und da sagen wir, "et hätt noch mal jot jejange", wie wir in Köln sagen. Das ist das Problem, unterstreicht Froböse.
Froböse: Kampagnen für gesundheitsförderndes Verhalten
SWR1: Ihr Credo ist seit vielen Jahren, um gesund zu altern, müssen wir unsere Muskeln trainieren. Sie fordern eine Art Verpflichtung dafür einzuführen. Wie soll das funktionieren?
Froböse: Grundsätzlich würde ich mir wirklich wünschen, dass alle Menschen verstehen, dass sie selbst Eigenverantwortung haben. Das beginnt schon in der Kita und in der Schule, wo wir meines Erachtens nach eine verpflichtende, lebensbildende Unterrichtseinheit haben müssten.
Wir benötigen, so wie jetzt in Bayern, eine groß angelegte Kampagne, die Bayern in Bewegung setzen soll. Das ist sehr erfreulich. Und ansonsten benötigen wir wirklich verpflichtende Maßnahmen und eventuell auch steuerliche Unterstützung, damit Gesundheit tatsächlich stattfindet.
Wir haben eben diese Umgebung nicht. Die Arbeitgeber, die Schulen, die Universitäten sind dazu verpflichtet, etwas im Sinne der Gesundheit anzubieten. Alle sollten etwas Verbindliches einführen, dass körperliche Aktivität und gesunde Ernährung zur Normalität werden. Das gilt im Übrigen auch für die stationären Pflegeeinrichtungen.
SWR1: … es muss einfach in den Köpfen ankommen!
Froböse: So würde ich das ausdrücken. Wir müssen zunächst einmal die Kompetenzen vermitteln. Und wenn die Menschen verstanden haben, dass es ihnen guttut, dass sie nichts verlieren, wenn sie mal keine Tüte Chips verzehren, wenn sie die Limo mal gegen Wasser tauschen, wenn sie das Auto mal stehen lassen und ein paar Schritte zu Fuß gehen, dass es im Gegenteil ein positives Erlebnis ist, dies zu erfahren, dann führt das dazu, dass ich mein Verhalten auch langfristig verändere!
Prof. Dr. Ingo Froböse in SWR1 Leute
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