Autoimmunhämolyse-Anämie (AIHA)
Die autoimmunhämolytische Anämie
Ein verbindendes Merkmal der autoimmunhämolytischen Anämien ist das Vorliegen von Autoantikörpern, die sich an die Oberfläche von Erythrozyten anlagern und hierdurch über eine Aktivierung des Komplementsystems oder der zellulären Immunabwehr (insbesondere Makrophagen und T-Lymphozyten) eine Hämolyse hervorrufen. Diese Hämolyse kann sowohl intravasal (überwiegend komplementvermittelt) als auch extravasal (d.h. die Lyse antikörperbesetzter Erythrozyten durch Makrophagen im RHS) geschehen.
Nachfolgend werden die ätiologischen und pathophysiologischen Gesichtspunkte der verschiedenen Gruppen detailliert beleuchtet.
AIHA, hervorgerufen durch Wärmeantikörper
Wärmeantikörper heften sich bei Körpertemperatur an die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) an. Die auf diese Art markierten Erythrozyten werden, während sie Milz und Leber (speziell das Retikuloendotheliale System) passieren, von Makrophagen eliminiert, was als extravasale Hämolyse bekannt ist. Ist der Antikörpertiter hoch, so verkürzt sich die Lebensdauer der Erythrozyten derart erheblich, dass selbst eine maximal intensivierte Erythropoese (Blutbildung) nicht ausreicht, um einen adäquaten Nachschub dieser Zellen sicherzustellen. Daraus entwickelt sich eine Anämie.
Ein beispielhafter Befund einer autoimmunhämolytischen Anämie, wie sie bei chronisch-lymphatischer Leukämie beobachtet wird.
Die Ätiologie einer AIHA mit Wärmeantikörpern bleibt in etwa fünfzig Prozent der Situationen unklar; in solchen Fällen spricht man von einer idiopathischen AIHA. Sekundäre Erscheinungsformen der AIHA, bedingt durch Wärmeantikörper, manifestieren sich hingegen häufig im Kontext einer weiteren Grunderkrankung oder werden durch Arzneistoffe (Medikamente) ausgelöst, wozu beispielsweise gehören:
AIHA, assoziiert mit Kälteantikörpern
Kälteantikörper stellen IgM-Antikörper dar, die, sobald sie an Erythrozyten gebunden sind, bei tieferen Temperaturen (idealerweise im Bereich von 0 bis 5 °C) über eine Komplementaktivierung die Hämolyse hervorrufen (eine intravasale Hämolyse). Der Schweregrad der resultierenden Anämie variiert in Abhängigkeit von der unterschiedlich stark ausgeprägten Bindungsfähigkeit und der Effizienz der Komplementaktivierung. Mit Kälteantikörpern behaftete Erythrozyten agglutinieren im Organismus vornehmlich an den Akren, den peripheren Körperteilen, an denen im Vergleich zum Körperkern eine deutlich geringere Temperatur (etwa 30 °C) vorherrscht.
Eine AIHA, die durch Kälteantikörper bedingt ist, kann sowohl in akuter als auch in chronischer Form in Erscheinung treten. Eine akute Manifestation (bezeichnet als akute Kälteagglutininkrankheit) findet gewöhnlich zwei bis vier Wochen nach einer Mykoplasmen-Infektion statt, obgleich sie seltener auch in Verbindung mit EBV oder dem Rubellavirus beobachtet wird. Üblicherweise stellt sich binnen weniger Wochen eine spontane Remission ein.
Chronische Verläufe, bekannt als chronische Kälteagglutininkrankheit, treten zumeist als Begleiterscheinung eines Non-Hodgkin-Lymphoms auf; lediglich selten manifestieren sie sich idiopathisch (ohne ersichtliche Ursache).
AIHA aufgrund gemischter Antikörper
Die AIHA, die durch eine Mischung von Antikörpern verursacht wird (bekannt als paroxysmale Kältehämoglobinurie), ist vorwiegend bei Kindern und Jugendlichen als Folge eines viralen Infekts anzutreffen. Charakteristisch für diese Form sind ein abrupter und schneller Beginn sowie eine spontane Remission (Rückbildung).
Die ehemals verbreitetere gemischte AIHA im Kontext einer Syphilis ist heutzutage nur noch vereinzelt anzutreffen, da die Syphilis gewöhnlich bereits in einem früheren Erkrankungsstadium einer adäquaten Therapie zugeführt wird.